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Carmen Bartholomä

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Wenn ich als Kind mit meinen Eltern im Urlaub war, herrschte vor allem eines: Ruhe. Zumindest im
digitalen Bereich. Denn unser digital war voll analog: Klickklack-Knipse mit 24 oder 36 Bildern pro
Filmrolle, ein Fax ins Hotel aus dem Büro für Papa, wenn’s im Job was Wichtiges gab und natürlich
mussten wir uns bei der sicheren Ankunft im Ferienort bei Oma per Hoteltelefon melden. Der Anruf
alleine kostete fast schon so viel wie der halbe Urlaub. Naja, und wenn man die Freunde und
Nachbarn neidisch machen wollte, dann gab es eben keine Story bei Instagram oder einen schnellen
Handy-Foto-Gruß per Whatsapp inklusive eingeblendeten Geokoordinaten und Temperatur vor Ort.
Nein, dann gab es den Klassiker schlechthin: die Postkarte.

Postkarte? Genau, das ist dieses Ding aus dickem Papier, in A6 – also genau 105 x 148 mm groß.
Vorne meist mit mehr oder weniger gelungenen Motiven aus der Umgebung, hinten mit genügend
Platz, um einen kurzen Gruß zu schreiben. Diesen Gruß formulierten wir natürlich schon bei der
ersten Karte idealerweise so, dass wir ihn auf den nächsten neun Karten wiederverwerten konnte.

Die Postkarte stirbt aus

Aber die Postkarte ist vom Aussterben bedroht. In den letzten zehn Jahren ging die Zahl der
versendeten Postkarten um rund 25 Prozent auf 200 Millionen Stück zurück. Das sind zwar immer
noch eine Menge Gänge zum Briefkasten, aber wenn sich der Trend fortsetzt, dann ist dieses schöne
Stück Urlaubserinnerung in einigen Jahren tot.

Warum ich heute über die Postkarte schreibe? Nun, erstens sind hier in der Pfalz gerade die
Sommerferien gestartet und zweitens finde ich, Postkarten benötigen dringend ein wohlverdientes
Comeback. Und ich meine nicht nur die Zwangskarte nach Hause an die Oma, weil die ihr
Weihnachtsgeschenk-Smartphone ohnehin ausgeschaltet in der Schublade hat und Whatsapp nicht
bedienen kann.

Sondern ich sage: lasst uns wieder Postkarten schreiben! An unsere engsten Freunde, weil wir sie
mögen. An die Familie, weil sie uns wichtig ist. Und vielleicht auch an die Nachbarn, zum Beispiel um
Danke! zu sagen fürs Blumen gießen und Briefkasten leeren.

Ich denk‘ an Dich!

Und einfach, weil eine Postkarte sagt: Ich habe mir Zeit für Dich genommen! Ich bin zu einem Laden
und habe unter den ganzen Motiven versucht, das am wenigsten Furchtbare für Dich zu finden. Ich
habe mich hingesetzt und mir ein paar nette Worte für Dich überlegt und mir an der Rezeption extra
einen Kuli geliehen, um die Karte zu schreiben. Außerdem bin ich 40 Minuten durch den Ort geirrt,
auf der Suche nach der Post, weil der Postkarten-Mensch natürlich keine Briefmarken verkauft. Aber
ich habe all‘ das gemacht, weil DU mir wichtig bist. Weil Instastory jeder kann. Weil ein schnelles
Handyfoto per Whatsapp ans gesamte Telefonbuch nicht persönlich ist.

Und gerade, weil es die Postkarte schon seit 1870 in Deutschland gibt, darf sie nicht aussterben. Um
die Jahrhundertwende, also um 1900 rum, war die Postkarte sozusagen die top downgeloadete App
– mit knapp einer Milliarde Karten pro Jahr, die in Deutschland verschickt wurden. Was sich in den
148 Jahren nicht geändert hat, ist die Postkarte als Symbol der Entschleunigung: denn heute wie
damals kommt die Karte in der Regel immer erst dann beim Empfänger an, wenn man schon selbst
längst wieder aus dem Urlaub zurück ist.

Also merke: Bilder vom schönsten Strand der Welt per Whatsapp an alle: klar! Den besten Urlaubstag
der Welt per Instastory mit der Welt teilen: auf jeden Fall. Aber: für die Menschen, die einem
besonders wichtig sind, sollten wir die Mühe und die Zeit auf uns nehmen und ganz analog eine
Urlaubskarte per Post schicken. Glaubt mir, die Empfänger werden staunen es euch danken!

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  1. Maria Beck 25. Juli 2018 at 8:02 - Reply

    Liebe Frau Bartholomä,,
    schön! heute werde ich meiner Tochter Lea eine schöne Postkarte kaufen und sie ihr nach Zürich senden! Sie fehlt mir täglich, sie ist mein Nesthäkchen…die letzte von 6 Kindern! Auch wir nutzen täglich unser IPhone, das ist zum Glück heute so…aber Sie haben recht, eine „echte“ Post, die man im Briefkasten findet ist doch ein Glücksmoment!
    Ihr Blog aus der Babyzeit entspricht den vielen Briefen, die ich darüber meiner allerliebsten Tante geschrieben habe, die waren auch eine Art Tagebuch über meinen ersten Sohn Maximilian…alles so ähnlich und doch so anders…Einen ganz schönen, sonnigen Tag für sie und Ihren kleinen Sohn!

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